6. Etappe - Julierpass   Majolapass   Splüngenpass   San Bernadino - 155km

Nach dem die gestrige Ausbeute an Pässen eher dünn gesäht war, standen heute wieder Kurven, Schnee und Bergpanoramas auf dem Programm!

 

Vorbei am Marmorera-Stausee schlängelte sich die gut ausgebaute und breite Straße nach oben. Die sattgrünen Bergwiesen wurden immer karger und mussten sich schließlich dem felsigen Bergsattel geschlagen geben. Nach einigen genüsslichen Serpentinen erreichen wir den nahezu menschenleeren Julierpass, auf dem sich Ende Mai auf 2.284m Höhe noch hartnäckig etwas Schnee hielt. Schnell war der Pass-Cache GCXEFC gefunden und geloggt, bevor es wieder bergab ging.

Bei der Abfahrt entschieden wir uns nicht weiter Richtung St. Moritz sondern lieber nach rechts entlang der Oberengadiner Seenplatte zum Malojapass abzubiegen. Entlang der Postkarten-Landschaft passierten wir den Silvaplaner und den Silser See. Wir konnten uns kaum am Anblick der Seen satt sehen, die hier oben durch Gletscherwasser gespeist werden. Völlig unbemerkt erreichten wir plötzlich den Malojapass auf 1.815m Höhe. Vom Julier kommend, gibt es zum Maloja keinen richtigen Aufstieg. Der Abstieg ist dafür umso spektakulärer. Kurz hinter der „Passhöhe“ wirft sich plötzlich die erste Serpentinengruppe den Berg hinunter ins Tessin.  Nach den ersten 13 Kehren machten wir an einer Kirchenruine eine Pause, fanden den örtlichen Cache GC3714M und genossen das Panorama hinunter ins Tal. Nur 4 Kilometer weiter wartete schon die nächste Kehrengruppe auf unsere Bikes. Kurvenspaß pur!

Nachdem wir die Grenze zu Italien passiert hatten, beschlossen wir uns in Chiavenna (deutsch Kleven) eine Pizza zu gönnen. Hier hatten wir eine Begegnung der besonderen Art: Nach dem wir es in einer kleinen Pizzeria endlich geschafft hatten unser Essen zu bestellen (im Ausland ist die Verständigung machmal ganz schön schwierig) und uns an einen der kleinen Tische gesetzt hatten, kamen drei Männer ins Lokal. Während einer der zwei Schränke an der Tür stehen blieb und sich die ganze Zeit umsah, baute sich der zweite Schrank mit dem Dritten der Gruppe vor der Theke auf und begannen auf den Keller einzureden. Auch ohne ein Wort zu verstehen war deutlich, dass gemahnt und gedroht wurde, während der Kellner eine Bitte und Entschuldigung nach der nächsten formulierte. Immer wieder wurde zu uns rüber gesehen. Anscheinend waren wir hier in eine Begegnung zwischen Mafia oder Schutzgelderpressern und Ladenbesitzer geraten. Es wurde immer lauter und bedrohlicher und uns war schon etwas mulmig zumute. Es fehlte eigentlich nur noch das einer der Schränke eine Waffe rausholte… Aber glücklicherweise verließen dir drei Mafiosis irgendwann den Laden dann doch wieder. Irgendwas murmelnd servierte uns der Keller dann doch noch unser Mittagessen, bevor wir uns auf zum Splüngenpass machten.

Nach nur wenigen Kilometern hatten wir diese Begegnung schon wieder vergessen, da uns bzw. mich die Kehren hinauf zum Pass ganz schön in Beschlag nahmen. Laut unserem Motorrad-Reiseführer „100 Pässe“ (Highlights-Verlag, ISBN: 978-3-933385-14-7) wartete hier „nur“ eine mittlere Schwierigkeit auf unsere Bikes. Zumindest für die Auffahrt muss ich deutlich wiedersprechen. Der Aufstieg mit mehr als 30 Spitzkehren forderte meine volle Konzentration. Die Serpentinen waren teilweise so eng und steil, so dass so manches mal die Fußraste an der Straße kratze. Erster und zweiter Gang, mehr war nicht drin, dabei immer der Blick nach oben, ob nach der nächsten engen Kehre Gegenverkehr wartete. Weiter oben waren die Spitzkehren wagemutig in die Wand gesprengt und so war die Fahrbahn teilweise überhängend und teilweise mit Galerien überdacht. Volle Konzentration war gefragt und der Blick auf die Fahrbahn vor mir oder auf die Serpentinen über mir  geheftet. Aber die Auffahrt hat sich gelohnt! Oben angekommen, beherrschte wieder karge Landschaft und der Stausee Lago du Monte Spluga den Splügenpass auf 2113m Höhe. Obwohl etwas tiefer als der Julierpass, lag hier deutlich mehr Schnee! Es war immer wieder beeindruckend, aus den warmen und sommerlichen Tälern hoch in die kühlen und schneebedeckten Höhen zu fahren. Der Sattel stellt auch gleichzeitig den Grenzpunkt dar und so fuhren wir bei der Abfahrt wieder in die Schweiz ein. Die Abfahrt mit ihren ca. 20 Spitzkehren und danach folgenden Bögen ließ sich hervorragend fahren. Da diesmal nicht ganz so viel Konzentration gefordert war, konnte ich den Ausblick ins Tal sehr genießen. Der Splügenpass bietet absolut sportives Kurvenfahren mit Radien jeder Größe!

Anschließend fuhren wir weiter zum San Bernadino. Seit der Eröffnung des Gotthard-Tunnels ist der Verkehr auf diesem Pass deutlich zurück gegangen, er wird nur noch fast ausschließlich von Bikes angefahren. Genüsslich schlängelten wir hier über gut einsehbare Serpentinen dem Himmel entgegen. Auf dem Weg nach oben hatten wir einen herrlichen Ausblick  zu den Gipfeln des Rheinwaldhorns und des Fanellahorn,  bevor wir nach einer handvoll Spitzkehren auf dem 2065m hohen Sattel des San Bernadinos angekommen waren. Ein kahler und unwirklicher Ort rund um den Moesola-See, der an eine Mondlandschaft erinnert. Der heilige St. Bernhard soll im Mittelalter gerne hier oben gepredigt haben und somit Namensgeber gewesen sein. Nach einem kurzen Rast ging es auf den Bikes wieder bergab. Schöne Kurven, prima Übersicht, griffiger Belag und ein Ausblick zum Staunen – was braucht man mehr?

 Nach 155km, 4 Pässen und unzähligen Kurven suchten wir uns im  kleinen Bergdorf Mesocco eine Unterkunft für die kommende Nacht. Zwar waren wir geografisch wieder in der Schweiz, sprachlich aber in Italien geblieben. Nur mit Mühe und Hilfe der Wirtstochter konnten wir in der einzigen Gaststätte ein Zimmer ergattern.

 

Da es noch nicht all zu spät war, machten wir noch einen Spaziergang zur Ruine des Castello di Mesocco.  Sie thront auf einem mächtigen Felsen südlich des Dorfes und bietet einen spektakulären Blick hinunter ins weitere Tal. Da wir hier ziemlich alleine waren, konnten wir den Multi-Cache GC2B1YD ganz ungestört lösen. Nach dem wir aus unserem Proviant ein kleines Abendmahl gezaubert hatten, gingen wir zurück in unser großes, sauberes aber auch gruseliges Zimmer im Keller des Gasthauses. Vier Hexenpuppen beobachteten jede unserer Bewegungen vom Sofa des Zimmers aus. Etwas spooky aber geschlafen haben wir ausgezeichnet.